FamFG § 68 Abs. 3, § 321 Abs. 1 Satz 1
In einem Unterbringungsverfahren darf das Beschwerdegericht nicht von einer förmlichen Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme absehen, wenn diese im ersten Rechtszug unter Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften durchgeführt worden ist.
BGH, Beschluss vom 23. März 2022 - XII ZB 24/22
Gemäß § 321 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat vor einer Unterbringungsmaßnahme eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Die Pflicht zur Einholung des Gutachtens besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht auch in einem Unterbringungsverfahren die Möglichkeit ein, von der Durchführung einzelner Verfahrenshandlungen abzusehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden. Ein solches Vorgehen setzt jedoch unter anderem voraus, dass die notwendige Verfahrenshandlung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Mai 2021 - XII ZB 587/20 - FamRZ2021, 1414 Rn. 5 zur Anhörung).
§ 321 Abs. 1 Satz 1 FamFG sieht für das Unterbringungsverfahren im Hinblick auf die damit einhergehenden erheblichen Eingriffe in die Freiheitsrechte eine förmliche Beweisaufnahme vor, die gemäß § 30 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 FamFG entsprechend der Zivilprozessordnung durchzuführen ist.
Danach bedarf es zwar nicht zwingend eines förmlichen Beweisbeschlusses (vgl. § 358 ZPO). Erforderlich ist jedoch die Beauftragung eines Sachverständigen mit der Prüfung der Notwendigkeit der Unterbringungsmaßnahme sowie die Benachrichtigung des Betroffenen hiervon, damit einerseits sich der Betroffene auf den Untersuchungsgegenstand einstellen und er andererseits gegebenenfalls von seinem Ablehnungsrecht nach § 30 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 406 ZPO Gebrauch machen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Januar 2018 - XII ZB 398/17 - FamRZ 2018, 525 Rn. 16 mwN).
Schließlich stellt die Befristung der Unterbringung auf längstens ein Jahr gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine gesetzliche Höchstgrenze dar, die nur unter besonderen Voraussetzungen überschritten werden darf. Wird über die regelmäßige Höchstfrist der geschlossenen Unterbringung von einem Jahr hinaus eine Unterbringung von bis zu zwei Jahren genehmigt oder angeordnet, ist diese Abweichung vom Regelfall im Hinblick auf den hohen Rang des Rechts auf Freiheit der Person ausreichend zu begründen. Solche Gründe können sich etwa aus konkreten Feststellungen über die Dauer einer notwendigen Therapie oder aus fehlenden Heilungs- und Besserungsaussichten bei anhaltender Eigengefährdung ergeben. Dabei erfordert das im Gesetz genannte Merkmal der „Offensichtlichkeit“, dass die Gründe für eine über ein Jahr hinaus währende Unterbringungsbedürftigkeit für das sachverständig beratene Gericht deutlich und erkennbar hervortreten (Senatsbeschluss vom 21. April 2021 - XII ZB 520/20 - FamRZ
2021, 1242 Rn. 9 mwN).