EuUnthVO Art. 15; HUP Art. 3 Abs. 1, Art. 5, Art. 8


Ob für eine engere Verbindung der Ehe zum Recht eines anderen Staates nach Art. 5 HUP Anhaltspunkte von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten als in der Regel maßgeblicher Anknüpfungspunkt zurücktritt, ist eine Frage der bei der vorzunehmenden wertenden Gesamtbetrachtung zu berücksichtigenden Einzelfallumstände.

Zur engeren Verbindung der Ehe zum Recht eines anderen Staates nach Art. 5 HUP bei aufgrund beruflicher Verhältnisse eines Ehegatten („Expatriate“) jeweils befristeten Aufenthalten in verschiedenen Ländern führt der BGH aus:

(1) Nach der Grundregel des Art. 3 Abs. 1 HUP ist für Unterhaltspflichten das Recht des Staates maßgebend, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Allerdings findet diese Anknüpfung in Fällen des Ehegattenunterhalts gemäß Art. 5 HUP keine Anwendung, wenn eine der Parteien sich dagegen wendet und das Recht eines anderen Staates, insbesondere des Staates des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten, zu der betreffenden Ehe eine engere Verbindung aufweist.

Hintergrund der als Einrede zu qualifizierenden Regelung ist das Vertrauen eines Ehegatten in diejenige Rechtsordnung, der sich beide Eheleute während des Bestehens der Ehe unterstellt haben (Senatsurteil vom 26. Juni 2013 XII ZR 133/11 FamRZ 2013, 1366 Rn. 44 mwN). Ein Ehegatte soll nicht die Möglichkeit haben, das Bestehen und den Inhalt der Unterhaltspflicht durch einen einseitigen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltsorts auf unfaire Weise zu beeinflussen (Bonomi Erläuternder Bericht zum HUP Rn. 78, veröffentlicht bei www.hcch.net).


Art. 5 HUP stellt die Ausnahme zu der in Art. 3 HUP niedergelegten Grundanknüpfung dar. Lässt sich daher keine andere Rechtsordnung feststellen, zu der die Ehe der Beteiligten eine engere Verbindung aufweist, bleibt es nach soweit ersichtlich allgemeiner Meinung aufgrund dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses bei der allgemeinen Regel des Art. 3 HUP für das anzuwendende Recht (vgl. BeckOK BGB/Heiderhoff [Stand: 1. Februar 2022] HUP 2007 Art. 5 Rn. 5; Klink-hammer in Budzikiewicz/Heiderhoff/Klinkhammer/Niethammer-Jürgens Neue Impulse im europäischen Familienkollisionsrecht S. 163, 181; Münch-KommBGB/Staudinger 8. Aufl. Art. 5 HUP Rn. 21; Rauscher/Andrae EuZPR/EuIPR 4. Aufl. Art. 5 HUntStProt Rn. 18; Staudinger/Mankowski BGB [2021] Art. 5 HUP Rn. 41; vgl. auch OGH Wien ZfRV 2015, 226; zur Beweislast: BeckOGK/Yassari [Stand: 1. Dezember 2020] Art. 5 HUP Rn. 25; Hausmann Internationales und Europäisches Familienrecht 2. Aufl. C Rn. 616; Münch-KommBGB/Staudinger 8. Aufl. Art. 5 HUP Rn. 9; Uecker FF 2014, 185, 190; OGH Wien ZfRV 2015, 226; hierzu wohl aA Rauscher/Andrae EuZPR/EuIPR 4. Aufl. Art. 5 HUntStProt Rn. 13b).


(2) Art. 5 HUP verlangt eine wertende Gesamtbetrachtung. Ob für eine engere Verbindung zum Recht eines anderen Staates Anhaltspunkte von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten als in der Regel maßgeblicher Anknüpfungspunkt zurücktritt, ist eine Frage der Einzelfallumstände (vgl. Bonomi Erläuternder Bericht zum HUP Rn. 82, 85; Hausmann Internationales und Europäisches Familienrecht 2. Aufl. C Rn. 617; NK-BGB/Bach 3. Aufl. Art. 5 HUP Rn. 15; jurisPK-BGB/Ludwig [Stand: 1. März 2020] Art. 5 HUP Rn. 15; vgl. auch OGH Wien ZfRV 2020, 289).

Als solche kommen neben dem vom Normgeber in Art. 5 HUP ausdrücklich genannten und mit „insbesondere“ besonders hervorgehobenen letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten weitere Gesichtspunkte in Betracht, etwa ein früherer gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten während der Ehe, ihre Staatsangehörigkeit, der Ort der Eheschließung sowie der Ort der Trennung oder Scheidung (vgl. Bonomi Erläuternder Bericht zum HUP Rn. 85; OGH Wien ZfRV 2020, 289; vgl. auch Senatsurteil vom 26. Juni 2013 XII ZR 133/11 - FamRZ 2013, 1366 Rn. 45).


Die Abwägung der für die Beurteilung einer engeren Verbindung im Sinne des Art. 5 HUP in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters.

Sie ist vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder sonst auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juni 2019 XII ZB 299/18 FamRZ 2019, 1535 Rn. 30 mwN).

Für die im vorliegenden Fall zu beurteilende Fallgestaltung sei die Bedeutung des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten jedoch entwertet. Der gemeinsame Aufenthalt in Texas ab dem Jahr 2012 war nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen nicht auf Dauer angelegt, sondern reihte sich in eine durch die beruflichen Verhältnisse des Ehemanns bedingte regelmäßige Abfolge jeweils befristeter Aufenthalte in verschiedenen Ländern ein. Die entsprechenden Ortswechsel waren demnach wesentlich durch die betrieblichen Erfordernisse des Arbeitgebers, nicht aber durch eine Bindung der Beteiligten zum jeweiligen Einsatzort begründet. Für die auf längstens fünf Jahre begrenzte Tätigkeit des Ehemannes in Texas gilt nichts anderes, auch wenn er in diesem Zusammenhang vom Arbeitgeber nicht als „Expatriate“, sondern zu den Bedingungen eines „Local Non-National“ beschäftigt wurde.

Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend hervorhebt, kann bei solcherart regelmäßig wechselnden gewöhnlichen Aufenthalten aus dem jeweiligen, von vornherein lediglich vorübergehend angelegten Aufenthaltsort nicht ohne weiteres auf einen Bezug der Ehe zu dessen Rechtsordnung geschlossen werden, der eine Anwendung von Art. 5 HUP rechtfertigen könnte. Vielmehr hätte es zufälligen Charakter, welches Recht in Anknüpfung an den jeweils letzten gemeinsamen Aufenthalt anstelle des sonst berufenen Rechts zur Anwendung gelangt.

BGH, Beschluss vom 11.05.2022, XII ZB 543/20