§ 1666 BGB, § 1666a BGB, § 1674 BGB
Dem Ruhen der elterlichen Sorge kommt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit jedenfalls dann der Anwendungsvorrang vor Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB zu, wenn die Frage einer Kindeswohlgefährdung durch den inhaftierten Elternteil noch nicht abschließend beurteilt werden kann.
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 28.03.2022, 6 UF 163/21
Die nach §§ 58 ff., 162 Abs. 3 S. 2 FamFG zulässige Beschwerde des Jugendamts führt zur teilweisen Abänderung des angefochtenen Beschlusses, das Ruhen der elterlichen Sorge des Vaters nach § 1674 BGB wird festgestellt, ein Entzug des Sorgerechts beider Eltern gemäß §§ 1666, 1666a BGB erfolgt jedoch nicht, da sich ein solcher Eingriff in das Elternrecht im vorliegenden Fall als unverhältnismäßig erweist.
Im Ergebnis zu Recht, wenngleich nicht aufgrund eines durchgängig fehlerfreien Verfahrens, hat das Familiengericht bezüglich der Kinder S. und R. – sinngemäß – von sorgerechtlichen Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB gegenüber beiden Eltern abgesehen. Zwar bestehen derzeit bei beiden Elternteilen zweifellos Einschränkungen in der Erziehungsfähigkeit, die einer Versorgung und Betreuung der Kinder in eigenem Haushalt entgegenstünden, und befinden sich beide zudem in Maßnahmen - der Vater im Strafvollzug, die Mutter in einer stationären Drogentherapie – aufgrund deren sie ihre Kinder derzeit und absehbar bis auf Weiteres ohnedies nicht selbst versorgen können. Einem Eingriff in das Sorgerecht der Eltern steht derzeit jedoch entgegen, dass eine drohende Kindeswohlgefährdung durch die Fremdunterbringung der Kinder, mit der sich beide Eltern sowohl in der Anhörung vor dem Familiengericht als auch im Senatstermin uneingeschränkt einverstanden erklärt haben, abgewendet werden kann und der Senat gegenwärtig auch keine begründeten Anhaltspunkte für eine – insbesondere in der Person der Mutter – bestehende Absicht hat, die Fremdunterbringung der Kinder zu beenden, so dass sich ein Eingriff in das Sorgerecht im Ergebnis bei beiden – hinsichtlich eines Eingriffs in ihr Sorgerecht getrennt zu betrachtenden – Elternteilen im jetzigen Zeitpunkt als unverhältnismäßig darstellen würde.
Nach § 1666 Abs. 1 BGB kann das Familiengericht, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, den Sorgeberechtigten das Sorgerecht teilweise oder vollständig entziehen. Nach § 1666a Abs. 1 S. 1 BGB sind Maßnahmen, die mit einer Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden sind, nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Damit einher geht die in § 1696 Abs. 2 BGB angeordnete Verpflichtung, jegliche kindesschutzrechtliche Maßnahme aufzuheben, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr besteht oder die Erforderlichkeit der Maßnahme entfallen ist.
Bei der Beurteilung, ob und wenn ja welche Maßnahmen nach diesen – vom Bundesverfassungsgericht für verfassungsrechtlich unbedenklich befundenen (vgl. BVerfGE 60, 79; BVerfG ZKJ 2011, 133; FamRZ 2010, 528 und 713) – Vorschriften erforderlich sind, ist der besondere Schutz zu beachten, unter dem die Familie sowohl nach dem Grundgesetz (Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG) als auch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 8 EMRK) und der UN-Kinderrechtskonvention (Art. 9 Abs. 1 UNKRK) steht, deren beider Normen die nationalen Gerichte im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu beachten haben und als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten des Grundgesetzes dienen (vgl. BVerfGE 111, 307).
Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Die Erziehung des Kindes ist damit primär in die Verantwortung der Eltern gelegt, wobei dieses „natürliche Recht“ den Eltern nicht vom Staate verliehen worden ist, sondern von diesem als vorgegebenes Recht anerkannt wird. Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen. In der Beziehung zum Kind muss aber das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts.
Soweit es um die Trennung des Kindes von seinen Eltern als dem stärksten Eingriff in das Elternrecht geht, ist dieser allein unter den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 GG zulässig. Danach dürfen Kinder gegen den Willen des Sorgeberechtigten nur aufgrund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigt den Staat jedoch dazu, auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG zukommenden Wächteramtes die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen. Es gehört nicht zur Ausübung des Wächteramtes des Staates, gegen den Willen der Eltern für eine den Fähigkeiten des Kindes entsprechend bestmögliche Förderung zu sorgen. Vielmehr zählen die Eltern und deren sozioökonomischen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes. Dabei wird auch in Kauf genommen, dass Kinder durch den Entschluss der Eltern wirkliche oder vermeintliche Nachteile erleiden. Diese primäre Entscheidungszuständigkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, dass die Interessen ihres Kindes grundsätzlich am besten von ihnen wahrgenommen werden. Das elterliche Fehlverhalten muss vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der oder einer Rückkehr in die Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre. Dies ist nur der Fall, wenn bereits ein Schaden eingetreten ist oder wenn eine Gefahr gegenwärtig und in einem solchen Maß vorhanden ist, dass sich bei seiner weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. Eine mittel- oder langfristige, mithin lediglich künftige, latente Gefährdung des Kindeswohls begründet hingegen noch keine nachhaltige Kindeswohlgefahr im verfassungsrechtlichen Sinne (siehe hierzu insbesondere BVerfG FF 2014, 295). Soll zudem eine Maßnahme nach § 1666 BGB allein auf Defizite bei der Erziehungsfähigkeit der Eltern und ungünstige Entwicklungsbedingungen gegründet werden, so müssen wegen Art. 6 Abs. 2 und 3 GG die dem Kind deshalb drohenden Schäden ihrer Art, Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit nach konkret benannt, im Lichte des grundrechtlichen Schutzes vor der Trennung des Kindes von seinen Eltern bewertet und zudem besonders sorgfältig begründet werden, weshalb die Risiken für die geistige und seelische Entwicklung des Kindes die Grenze des Hinnehmbaren überschreiten (siehe hierzu BVerfG FamRZ 2015, 112).
Wenn Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen und damit zugleich die Trennung der Kinder von ihnen gesichert oder ermöglicht wird, darf dies zudem nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dieser gebietet es, dass Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffs sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach bestimmen müssen, was im Interesse des Kindes geboten ist. Die anzuordnende Maßnahme muss daher zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung effektiv geeignet und erforderlich sein. Die Erforderlichkeit beinhaltet dabei das Gebot, aus den zur Erreichung des Zweckes geeigneten Mitteln das mildeste, die geschützte Rechtsposition am wenigsten beeinträchtigende Mittel zu wählen. Der Staat muss daher nach Möglichkeit zunächst versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen (vgl. zum Ganzen BVerfG FamRZ 2018, 1084; 2016, 439; 2015, 112; 2014, 1266; 2012, 938 und 1127 m.z.w.N.; NJW 2014, 2936; FF 2014, 295; BGH FamRZ 2019, 598; 2017, 212; 2014, 543; FF 2012, 67 m. Anm. Völker; FamRZ 2010, 720; Senatsbeschlüsse vom 19. August 2020 – 6 UF 45/20 –, vom 21. Januar 2020 – 6 UF 128/19 –, vom 18. November 2019 – 6 UF 118/19 –, vom 14. Juli 2016 – 6 UF 46/16 –, vom 22. Februar 2016 – 6 UF 8/16 –, FamRB 2016, 227, vom 18. Juni 2015 – 6 UF 20/15 –, NZFam 2015, 1076, und vom 5. Dezember 2013 – 6 UF 132/13 –, ZKJ 2014, 117 m.z.w.N.; Beschluss des 9. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 2. Februar 2016 – 9 UF 51/15).
Die vom Jugendamt angegriffene Entscheidung, den Eltern die im Wege einstweiliger Anordnung zunächst einmal in Teilbereichen vorläufig entzogene Sorge zu belassen und von Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB abzusehen, hält diesen strengen verfassungs- und einfachrechtlichen Maßstäben in Bezug auf beide Elternteile im Ergebnis stand. Dabei ergibt die – mit Bezug auf jeden Elternteil gesondert vorzunehmende – Überprüfung dieser Vorgaben, dass im Falle der Mutter ein Eingriff in das Elternrecht aufgrund ihrer gezeigten Kooperationsbereitschaft mit den Trägern der Jugendhilfe und des von ihr zuletzt – unter Anerkennung eigener Versäumnisse und Unzulänglichkeiten in der Vergangenheit – beschrittenen Weges einer therapeutischen Aufarbeitung ihrer Drogensucht unverhältnismäßig wäre. In der Person des Vaters kann eine solche Mitwirkungsbereitschaft allerdings jedenfalls zur Zeit noch nicht ausreichend zuverlässig beurteilt werden. Die diesbezüglichen Bedenken des Senats resultieren vorwiegend daraus, dass der Vater eigene Verantwortungsanteile an der ungünstigen Entwicklung der Kinder in der Vergangenheit nach wie vor kaum erkennt, mit den Trägern der Jugendhilfe derzeit weder aktiv noch passiv zusammenarbeitet und auch die im Termin von ihm verbalisierte Bekämpfung seiner Betäubungsmittelabhängigkeit – nach dem sicheren Eindruck des Senats – vornehmlich als Mittel zum Zweck der Abkürzung seiner derzeitigen Inhaftierung sieht. Von Rechts wegen erweist sich ein ebensolcher Sorgerechtseingriff gegenüber dem Vater im Ergebnis jedoch gleichfalls als unverhältnismäßig, weil er aufgrund seiner noch andauernden Inhaftierung bis auf Weiteres an der tatsächlichen Ausübung der Sorge für S. und R. gehindert ist und die auf dem Boden von § 1674 BGB zu treffende Anordnung des Ruhens seiner elterlichen Sorge demnach ein milderes Mittel gegenüber einem Eingriff in die elterliche Sorge eines Sorgeberechtigten darstellt.
Die im Ausgangspunkt wohlbegründete Feststellung des Familiengerichts, dass derzeit weder die Mutter noch der Vater aufgrund der bei ihnen noch bestehenden Einschränkungen der Erziehungsfähigkeit – zuvörderst begründet durch die Drogenabhängigkeit sowie den Umstand der Inhaftierung zunächst beider Elternteile, an deren Stelle im Falle der Mutter aktuell eine stationäre Drogentherapie getreten ist – in der Lage sind, S. und R. im eigenen Haushalt zu erziehen und deswegen eine Fremdunterbringung beider Kinder aus Kindesschutzgründen unabweisbar angezeigt ist, findet die uneingeschränkte Zustimmung des Senats. Dafür streitet nicht nur der Umstand, dass sich beide Elternteile derzeit und für längere Zeit in Strafhaft (Vater) bzw. in einer länger dauernden stationären Therapie-Maßnahme befinden (Mutter) und damit rein tatsächlich an der Versorgung und Betreuung der Kinder in ihrem eigenen Haushalt gehindert sind. Es liegt nachgerade auf der Hand, dass vor allem die im Zusammenhang mit der Drogensucht zu sehenden Defizite beider Eltern im Bereich der Erziehungsfähigkeit sich – solange nicht diese aufgearbeitet werden und die Eltern abstinent leben – nachhaltig schädlich auf das Kindeswohl auswirken, wie das Familiengericht bereits in seinen den vorläufigen Entzug der Teilbereiche der Sorge anordnenden bzw. bestätigenden Beschlüssen vom 11. Januar 2021 und vom 7. Mai 2021 – 13 F 1/21 EASO – anhand zahlreicher Beispiele für die Vernachlässigung und Gefährdung der Kinder durch ihre Eltern in der Vergangenheit eindrücklich untermauert hat und die bei beiden Kindern – vor allem aber bei der älteren S. – auch nach dem eigenen Eindruck, den der Senat anlässlich des Termins am 10. März 2022 gewinnen konnte, bereits zu erheblichen Entwicklungsverzögerungen geführt haben. Eine Gefährdung beider Kinder wäre daher unabweisbar für den Fall gegeben, dass die Eltern die von ihnen im Senatstermin grundsätzlich bekundete Bereitschaft zur fortdauernden Fremdunterbringung der beiden Mädchen vorzeitig widerrufen.
Der Rechtsstandpunkt des Familiengerichts, dass ein Sorgerechtsentzug der Eltern zur Abwendung einer dem Kind drohenden Gefahr insbesondere dann entbehrlich ist, wenn der erziehungsberechtigte Elternteil die Fremdunterbringung mitträgt und unterstützt und alle in diesem Zusammenhang notwendig werdenden Mitwirkungshandlungen vornimmt bzw. vorzunehmen bereit ist, entspricht den oben dargestellten verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Grundsätzen, die für die Rechtmäßigkeit – und dabei insbesondere die Verhältnismäßigkeit – einer kindesschutzrechtlichen Maßnahme gelten, wonach u.a. stets nur das jeweils mildeste Mittel zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung ergriffen werden darf und denen der Senat uneingeschränkt folgt.
Soweit sich das Familiengericht für seine diesbezügliche Beurteilung allerdings im Wesentlichen auf eine nach seiner Auffassung seinerzeit gegebene Kooperationsbereitschaft der Eltern sowie den Umstand gestützt hat, dass diese sich auf absehbare Zeit in Strafhaft befänden, somit jederzeit für die Träger der Jugendhilfe erreichbar seien und überdies sämtliche Unterschriften geleistet hätten, um die weitere Fremdunterbringung der beiden Mädchen in der Einrichtung sicherzustellen, entbehrte dieses Erkenntnis indes einer belastbaren Grundlage, die sich zu verschaffen es in verfahrensrechtlich nicht einwandfreier Weise und unter Verkennung der ihm nach § 26 FamFG obliegenden Amtsaufklärungspflicht verabsäumt hat. Neben den bereits dargelegten materiell-rechtlichen Vorgaben kommt in Kinderschutzverfahren auch der Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens hohe Bedeutung für die Gewährleistung effektiven Grundrechtsschutzes zu (vgl. nur BVerfGE 63, 131). In Sorgerechtsverfahren haben die Familiengerichte das Verfahren daher so zu gestalten, dass es geeignet ist, eine möglichst zuverlässige Grundlage zu schaffen (vgl. BVerfGE 55, 171). Steht – wie hier – eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren in Rede, sind besonders hohe Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung des Familiengerichts zu stellen, was vorliegend insbesondere für die Überprüfung der Ernsthaftigkeit der Zusammenarbeit der Eltern mit dem Helfersystem gilt. Dazu hat hier umso mehr Anlass bestanden, als der Sachverständige F... im Begutachtungsprozess mehrfach auf die besonders vulnerable Situation der beiden betroffenen Kinder hingewiesen hat, die sich in entscheidenden Bindungsentwicklungsphasen befinden und bei denen insbesondere ein mehrfacher Austausch von Bezugspersonen oder gar ein Wechsel des Lebensumfeldes zu vermeiden ist. Danach war das Familiengericht gehalten, praktisch alle verfügbaren Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen, insbesondere soweit es seine Entscheidung auf eine Prognose – wie vorliegend seine Annahme, angesichts der noch andauernden Haft der Eltern und ihrer Zusage, für die Dauer ihrer Inhaftierung mit der stationären Unterbringung der Kinder einverstanden zu sein, davon ausgehen zu können, dass nicht zu erwarten stünde, dass die Eltern die Kinder aus der Maßnahme abmelden und dadurch eine weitere Kindeswohlschädigung drohe – gestützt hat. Die Prämissen des Familiengerichts zu der voraussichtlichen Dauer der Inhaftierung der Eltern beruhten auf insoweit – bestenfalls – lückenhaften Ermittlungen, und haben sich nicht zuletzt bei der Mutter durch den schon aus damaliger Sicht keineswegs fernliegenden alsbaldigen Antritt einer stationären Drogentherapie schon nach vergleichsweise überschaubarer Zeit als überholt erwiesen; vor allem aber konnte auch die bekundete – wirkliche oder vermeintliche – Bereitschaft des Vaters, für die Fremdunterbringung der Kinder erforderliche Unterschriften zu leisten, schon allein deshalb nicht ohne Weiteres eine verlässliche Beurteilungsgrundlage darstellen, weil der Vater im Gegensatz zur Mutter bis zum Erlass der angegangenen Entscheidung – wie schon aus der Akte ersichtlich – noch keinerlei schriftliche Erklärungen hinsichtlich der Absicherung der Fremdunterbringung der Kinder in Rücklauf gebracht hatte.
Auch nach den im Beschwerdeverfahren vom Senat hierzu veranlassten weiteren Ermittlungen steht insbesondere in der Person des Vaters weiterhin konkret zu befürchten, dass von diesem die erforderlichen Mitwirkungshandlungen gegenüber den Trägern der Jugendhilfe – vor allem der Einrichtung, in der die Mädchen untergebracht sind – auch künftig nicht oder jedenfalls nicht mit der erforderlichen Verlässlichkeit erbracht werden. So hat er nach eigenem Bekunden im Nachgang zum Anhörungstermin des Familiengerichts keine schriftliche Einverständniserklärung gegenüber den Trägern der Jugendhilfe abgegeben, obwohl ihm die entsprechenden Formulare vom zuständigen Jugendamt übersandt worden waren; auch ist er für die Einrichtung bisher als Vater in keiner Weise in Erscheinung getreten, wie die im Termin vom 10. März 2022 vom Senat auch hierzu persönlich befragte Mitarbeiterin der Einrichtung – u.a. mit den Worten: „der Vater kommt bei uns praktisch nicht vor“ – durchaus eindrücklich bestätigt hat. Auch wenn sich der Vater im Rahmen von gerichtlichen Anhörungsterminen mit der Unterbringung der beiden Kinder in der Jugendhilfeeinrichtung nach wie vor einverstanden erklärt hat, ist hiermit jedenfalls in seiner Person nach Überzeugung des Senats – und zwar zuvörderst mangels wirklich vorhandenem Interesse - derzeit noch keine sichere Gewähr dafür verbunden, dass er künftig bei tatsächlich für die Kinder zu treffenden Entscheidungen verlässlich mit dem zuständigen Jugendamt und den Trägern der Jugendhilfe zusammenwirken und etwa erforderliche Unterschriften leisten wird.
Im Unterschied hierzu hat die Mutter hingegen nach den Ermittlungen des Senats bislang nicht nur sämtliche für die Fremdunterbringung erforderlichen Unterschriften geleistet und sich im Übrigen auch unter den Bedingungen und Möglichkeiten der Strafhaft in durchaus anerkennenswerter Weise eigeninitiativ um die Kinder S. und R. bemüht, sondern überdies im Rahmen des Strafvollzuges mittlerweile auch die Zurückstellung der weiteren Vollstreckung ihrer Strafhaft gemäß § 35 BtmG erwirkt und ankündigungsgemäß am 14. März 2022 ihre stationäre Drogentherapie in der S.-Klinik in S. angetreten. Vor diesem Hintergrund und unterstützt durch den persönlichen Eindruck von der Mutter, die bei ihrer Anhörung im Senatstermin keinen Zweifel daran gelassen hat, in der Vergangenheit gerade auch im Hinblick auf die Entwicklung der Kinder Defizite gehabt zu haben, wodurch zumindest der Beginn einer Einsicht in diesbezügliche eigene Verursachungsbeiträge bei ihr erkennbar wird, hat der Senat bei der Mutter vor allem die Überzeugung gewonnen, dass diese derzeit nicht die Beendigung der Fremdunterbringung der Kinder durch deren Aufnahme in ihren Haushalt herbeizuführen anstrebt, sondern vielmehr in Zusammenarbeit mit dem Helfersystem erst ihre stationäre Drogentherapie durchlaufen und daran anschließend zunächst eine Mutter-Kind-Maßnahme zur weiteren Vorbereitung einer künftigen Rückführung der Kinder antreten wird. Der Senat sieht daher vorliegend in der Person der Mutter positive Entwicklungspotenziale, die es aktuell verbieten, zur Abwendung einer drohenden Kindeswohlgefährdung in ihr Sorgerecht einzugreifen. Sollte die Mutter jedoch den von ihr nunmehr eingeschlagenen Weg nicht gemäß ihrer Ankündigung im Senatstermin zielstrebig weiterverfolgen, insbesondere ihre Therapie vorzeitig und ohne Erfolg beenden sowie eine – vorzeitige – Rückführung der Kinder in ihren Haushalt ins Werk zu setzen suchen, so wird das Jugendamt im Rahmen einer Gefährdungsmitteilung Gelegenheit haben, das Familiengericht erneut mit der Überprüfung des Sorgerechts zu befassen.
Nach alldem scheidet im jetzigen Erkenntnisstand bei der Mutter ein Eingriff in ihr Sorgerecht wegen ihrer tatsächlich gegebenen Mitwirkungsbereitschaft aus. In der Person des Vaters kann ein solcher Eingriff durch ein milderes Mittel abgewendet werden, nachdem er sich derzeit und bis auf Weiteres – unbeschadet etwaiger Bemühungen um eine vorzeitige Haftentlassung und die von ihm ins Auge gefasste ambulante Drogentherapie – in Strafhaft befindet. Dann aber liegen grundsätzlich – und so auch hier – die Voraussetzungen vor, unter denen nach § 1674 Abs. 1 BGB das Ruhen der elterlichen Sorge des Vaters anzuordnen ist (Senatsbeschluss vom 28. April 2020 – 6 UF 20/20 –; OLG Brandenburg FamRZ 2009, 1693; Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht, 8. Aufl., § 1, Rz. 165 ff; MünchKomm-BGB/Hennemann, 8. Aufl., § 1674 Rz. 5). Dem Ruhen der elterlichen Sorge kommt jedenfalls dann der Anwendungsvorrang vor Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB zu, wenn die Frage einer Kindeswohlgefährdung durch den inhaftierten Elternteil noch nicht abschließend beurteilt werden kann. So liegt der Fall hier, nachdem beim Vater eine solchermaßen valide Beurteilung zur Kindeswohlgefährdung aufgrund seiner derzeit nicht absehbaren Entwicklung im Rahmen des andauernden Strafvollzuges insbesondere im Hinblick auf die auch von ihm angestrebte – ambulante – therapeutische Aufarbeitung seiner Betäubungsmittelabhängigkeit noch nicht möglich ist, zumal sich die insoweit maßgeblichen Umstände noch während der Zeit seiner Verhinderung grundsätzlich ändern können. Hiervon ausgehend ist die Anordnung des Ruhens seiner elterlichen Sorge gleichermaßen geeignet einerseits sicherzustellen, dass die für die Kinder wesentlichen Entscheidungen von der Mutter getroffen werden können, die die elterliche Sorge für beide dann gemäß § 1678 Abs. 1 1. HS BGB alleine ausübt, und andererseits das im Kindesinteresse ausreichende, aber gegenüber einem gänzlichen oder auf Teilbereiche beschränkten Sorgerechtseingriff aus Sicht des Vaters mildere Mittel zur Anwendung gelangt (Senat a.a.O.; OLG Brandenburg a.a.O.).